Montag, 23. Februar 2009

Abschluss

Jetzt ist es wohl soweit. Die Koffer sind gepackt, das Rad zerlegt, das Zimmer endlich mal ordentlich aufgeräumt und nass gewischt. Der Abschied steht bevor, oder um genau zu bleiben, ist schon geschehen. Im Moment sitze ich meine letzten Tage in Brasilien auf einem Jugendkongress ab und kann es immer noch nicht glauben. Cerené ist nun Geschichte für mich. Was ich davon jetzt halten soll, weiß ich im Moment nicht. Vielleicht fange ich mal von vorne an und beschreibe meinen letzten Tag in Cerené. Das war am Freitag, nun also auch schon wieder veraltet, aber was solls. Fürs Abschlussessen war eine brasilianische Spezialität geplant: Costella. Das heißt so viel wie Rippen und genau das ist es auch. 2 Rinderhälften mit einem Gesamtgewicht von 33 Kilo wurden besorgt, auf Metallspieße geschoben und diese dann in den Boden gerammt. Dann wurde im Abstand von einem Meter Holz um die Rinder aufgehäuft und angezündet. Da Costella ziemlich schnell hart wird, muss man das ewig grillen. Ewig heißt in Brasilien um 4 Uhr nachts aufstehen um dann das Fleisch 7-8 Stunden auf dem "Grill" zu lassen. Langsam und chillig eben, wurde aber richtig richtig gut. Zum Bespiel kann man gegen Ende, die Rippen einzeln mit einer Kneifzange aus dem Fleisch ziehen. Boaaah ☺ Werde ich sicher auch irgendwann mal in Deutschland einführen. Schwer ist das anscheinend nicht.... Wie auch immer, ohne malträtieren kam ich natürlich nicht davon. Gewöhnlich wird man ja in den See geworfen, aber alle Internos waren sich einig, ich hab den harten Shit verdient. Details lasse ich jetzt aus, aber es war viel Kot, Sägespähne und Eier im Spiel. Menschenrechtlich hätte ich sicherlich einige Anklagepunkte und ich bin mir sicher ich werde noch die Fantasievollsten von euch schocken. Da hier aber auch meine Oma mitliest, breche ich die Sache nun ab. Vor dem Essen wurde auf meinen Wunsch hin, auch noch eine Art Formatura abgehalten. Also von wegen, verabschieden, Zertifikat bekommen und echte Männertränen. Als dann alle nach der Reihe anfingen sich zu bedanken, kleine Anekdoten zu erzählen und wie sehr sie mich vermissen würden, konnte ich einfach nicht mehr und hab geheult wie ein Mädchen. Scheisse geil wars! Ich kann nicht wirklich beschreiben, wie ich mich da gefühlt habe. Gebraucht? Wichtig? Keine Ahnung, mir war auf jeden Fall bewusst, dass diese 18 Monate nicht nur in mir Spuren hinterlassen haben. Sinnvoll wäre vielleicht das passende Adjektiv, aber wie gesagt, unbeschreiblich. Wenn ich dann so zurückblicke, kann ich nur sagen, es hat sich gelohnt. Es war eine geniale Zeit, ich hab so viele Menschen kennen gelernt und Erfahrungen gemacht. Kulturelle Grenzen überschritten, Unterschiede bemerkt, sich angepasst und trotzdem authentisch geblieben. Einfach fett. Jeder der so was durchmacht, wird wohl irgendwann behaupten, „ich kann das nur empfehlen, wenn du mal Lust hast, mach das!“ Ich würde da einen Schritt weitergehen und behaupten, „Du Musst das machen!“ Wirklich, ich kann schreiben und erzählen, zeigen und erklären, aber es wird niemals auch nur annähernd an das herankommen, was ich oder jeder andere Freiwillige hier erlebt hat. Diese 18 Monate waren so essenziell, prägend und intensiv, dass ich nie ein gutes Gewissen hätte, nicht jedem genau so etwas als nächstes Jahresziel vorzuschreiben. Ich bin mir sicher, ich werde sowas nochmal machen, im Moment steht Afrika hoch im Ranking, aber auch Indien fand ich lecker. Wann und wie hab ich noch keine Ahnung, aber ich bin mir sicher, irgendwann, nach dem Studium, während dem Studium, irgendwann mal als Sabbatjahr. Voll egal, so was rockt und solange man noch nicht im Rollstuhl sitzt gibt es meines Erachtens keine wirkliche Ausrede dafür. Einfach mal was total Verrücktes machen, es lohnt sich ☺

Damit beende ich nun meine 18 Monate in Brasilien. Resumé wäre: Fett. Aber 18 Monate habe im Grunde kein Resumé verdient, weil jedes Resumé weder autehntisch noch treffend wäre. Wie auch, es waren 18 Monate! Wir sehen uns dann in den nächsten Tagen. Am 27. Bin ich nun offiziell wieder auf deutschem Boden.

Danke an alle für die Unterstützung! Wirklich vielen Dank!

Dienstag, 16. Dezember 2008

4 da S4nd0r

Wisst ihr, was mir gerade jemand auf meine Studivzseite gekrizelt hat? Dass ich ja schon lange überfällig mit dem neuen Blogeintrag bin, also guck ich mal auf das letzte Datum und erschrecke mich, weil schon 1,5 Monate seit dem letzten Update verstrichen sind. Wie auch immer, hier also das lange überfällige Update:

15.11. Abschied Christiano:

Wieder einmal war es soweit, ein Interno hatte seine 6 Monate beendet und ihm zu Ehren gab es ein nettes Abschiedsfest mit viel Pizza und Liebe. Er selber heisst Christiano und ist ein extrem spezielles Exemplar. Man muss wirklich gestehen, dass Gott mit ihm noch etwas größeres vorhatte, denn knapp ein Jahr, bevor es ihn nach Cerené verschlagen hatte wurde er Teil folgender Geschichte: Er erzählte mir, wie er damals mit einem seiner Drogenfreunde und einer Frau in einer Bar gemütlich gechillt hat. Was er nicht wusste war, dass die Frau einen Drogenboss als Freund hatte. Dieser sah natürlich ganz und gar nicht gern seine Freundin in der Hand von 2 anderen Männern, also schaute er kurz rein, zog seine Pistole und schoss Christiano 6 (!!!) Kugeln in den Körper. Eine davon durch den Brustkorb, 2 in den Oberarm, weitere 2 in die Bauchgegend und die letzte in den Kopf. Das ist kein Witz, er hat heute noch ein Loch in der Schädelplatte, was man auf Fotos ganz gut erkennen kann. Trotz allem hat er es noch geschafft ab zuhauen und ohne bleibende Schäden zu überleben. Im Moment hat ihm sein Sozialarbeiter eine Wohnung und Arbeit vermittelt und bis jetzt geht es ihm super. Ich selber finde das einfach krass, nichtmal Hollywood würde sich eine solche Geschichte erlauben und dann trifft man so einen Menschen, der wirklich so was erlebt hat.

Das hier ist Christiano (der linke)

25.11. Snakehunter, i hunt you down, you and your family:

Boaaaahh! Wie geil war das denn? Ich war gerade mit Darruan im Garten das Feld umgraben, kommt auf einmal Cleverson an und meint "Leute, da oben hätte mich fast eine Schlange gebissen, tödlich giftig!" Ob er nun wirklich angefallen wurde oder nicht, keine Ahnung, giftig soll sie aber alle mal gewesen sein, jedenfalls hat das jeder Mitarbeiter und Interno bestätigt. Also nichts wie los, bewaffnet mit Hacken und FlipFlops. Die Taktik war folgende: Wir klopfen solange im Gras herum, bis sie ausreist und schlagen dann zu 3. mit unseren Hacken auf sie ein, als gäbe es kein Morgen. Gesagt getan, ich bin nun amtlicher Schlangentöter! Beeindruckend war, dass die Schlange, obwohl Darruan sie als erster erwischt hat und ihr ein gutes Drittel Körper abgetrennt hat, noch locker im Stande war zu fliehen und das sogar ziemlich schnell. Den 2. Schlag hab ich dann erwischt und danach war fertig. Hat noch ein bischen gezuckt, aber dann war es das schon. Hier meine Trophäe, sonst haben wir den Rest indianermäßig und naturverbunden wieder im Wald verbuddelt. Es war halt so cool, besser als in "Der mit dem Wolf tanzt"

29.11. Minujugendkongress:

Unsere Jugend in der anliegenden Kirche ist ja nicht unbedingt groß. Wenn es gut läuft sind wir mal zu zehnt, aber ich muss ehrlich gestehen, bisher war ich auch nur 3 mal da. Mittlerweile fühle ich mich dann doch ein bisschen zu alt für eine 15-jährige Umgebung, also geh ich normalerweiße nur in den Gottesdienst. Wie auch immer, dieses Wochenende war geplant in ein etwas entfernstes Strandhaus zu gehen um sich dort einfach mal richtig tierisch entspannen zu können. Mit von der Party war Samuel, meine Mitzivi und noch ein anderer Freiwilliger aus dem nahe gelegenen Sao Bento. Ich muss sagen, es war halt entspannt. Sonnenbaden, ein bisschen Volley und Eis und damit war das Wochenende auch schon wieder rum. Erwähnenswert wre vielleicht noch, dass ich wieder einmal bewiesen habe, dass meine Haut immortal ist! Ich hab den Härtetest gemacht von brasilianischer Mittagssonne und Simons Haut. Ich hab gewonnen! Außerdem glaube ich mir einzubilden Sonnencreme als Modetrend entlarvt zu haben, am letzten Tag nämlich habe ich mir, um allen zu beweisen, nur eine Hälfte des Gesichtes eingecremt und man konnte danach keinen Unterschied erkennen. Wie auch immer, Hautkrebs hab ich nie so ernst genommen und um ehrlich zu sein habe ich auch noch nie von jemandem gehört, der das hatte... Naja, ist ja auch wurst :)


6.12. Daniels Formatura:

Daniel war ein ehemaliger Freiwilliger hier in Cerené und war selber mal stark kokain abhängig. Heute studiert er Theologie, oder besser, hat studiert, denn er ist diese Tage fertig geworden und hat mich und Sebastian zu seiner "Formatura" eingeladen. Wie nennt man das in Deutsch? Diplomsfeier?! Keine Ahnung, jedenfalls hatten sie alle solche Hüte auf und haben ihr Diplom bekommen. War auf jeden Fall eine stinklangweilige Zeremonie von über 3 Stunden, in der jeder, wirklich JEDER, Professor noch seine ganz persönlichen Glückwünsche und Segen loswerden musste. Aber egal, danach gab es noch viel Essen und Gespräch und das hat es dann wieder rausgehauen. Was mich sehr begeistert hat war folgendes: Vielleicht wisst ihr es noch nicht, aber Cola ist DAS Prestige-Objekt hier in Brasilien. Egal wo und wann Cola ist immer dabei und vor allem NUR (und ich meine nur) original Cola. Es gibt wirklich keine gefälschte und der richtige Brasilianer, obwohl Brasilien zu einem Schwellenland gehört, pfeifft sich ausschließlich die Sahne auf dem Getränkemarkt rein. Vielleicht seine Kinder mal zurückhalten kommt hier niemandem in dem Sinn und so ergab sich Gelegenheit für dieses Foto, als wir um ein Uhr die letzten waren, die sich verabschiedeten. Ich wünsche eine gute Nacht, liebe Eltern ;)



Das wars dann auch schon wieder an Higlights der letzten paar Wochen. Sonst war es sehr heiß und schweißtreibend. Kaum vorstellbar, dass in Deutschland Eis gekratzt werden muss, während ich hier bei gefühlten 80 Grad auf dem Feld schufte. Wir sehen uns ja bald wieder!

Achja und ich habe mich vor knapp einer Woche dazu entschieden jetzt auf Realschullehramt zu studieren. Ok, erstmal verdauen, aber wenn man das mal nach einer Schockminute neu betrachtet, wir einem bewusst, dass ich optimale Vorraussetzungen habe, oder? Wie Julian so schön sagte "Wir kennen den Feind, Simon!" =D

Samstag, 8. November 2008

Radaktion

Nun endlich nach 2-3 Wochen Verspätung, endlich das Update zu der Radspendenaktion. An diesem Dienstag war nämlich die 3. "horario de esportes radicais" was so viel wie "Extremsportartenstunde" auf Deutsch heisst. Wer sich nun noch nichts darunter vorstellen kann, das läuft nun so ab. Die 2 Räder sind jetzt natürlich top und einsatzbereit, genauso wie das Skateboard, das nun auch eingeweiht wurde. Ich schnapp mir dann jeden Dienstag oder Donnerstag, oder an beiden Tagen, 3-4 Internos und schlepp sie auf den nahegelegenen Skatepark, sich die Knochen zu brechen. Dieser Dienstag war ein voller Erfolg, hat sich doch einer das Knie verdreht, der 2. das Knie so angehauen, dass er nicht mehr laufen konnte und der 3. sich den "Pulso" ausgekugelt. Da mein Fachportugiesisch im Bereich Medizin nicht so ausgeprägt ist, muss ich euch leider die endgültige Wahrheit vorenthalten, aber es handelt sich um irgend einen Knochen am Handgelenk. Macht aber nix, ist ihm anscheinend schon ein dutzend mal passiert, da der Held seines Zeichens Motocrosser ist und Exmarine (ja, das war der damals mit den Erdbeeren :) )
Fazit zu der ganzen Sache: Einfach genial, es macht Spass, die Leute kommen mal aus Cerené raus und generell ist Skaten überhaupt der geilste Sport dieses Universums und wer auf Fussball kein Bock mehr hat ist hier wunderbar kuschelig aufgehoben. Also nochmal ein großes Danke an alle, die sich beteiligt haben, es wird hier wirklich genutzt und vor allem auch geschätzt!

Hier Äkschenpiccs:

Montag, 27. Oktober 2008

Gebooortstag!

Jouh, nun ist es also mal wieder so weit. 21?! Whuuut? Ging wirklich scheisse schnell rum das alte Jahr, hab natürlich viel erlebt, aber rezitieren macht ohne dass ihr die Insider kennt wenig Spass, also lieber was von meinem Tag heute:
Ihr kennt das ja, jede Familie hat ihr bestimmtes Geburtstagsritual, das zumindest ich bei meinem 20. sehr sehr schmerzhaft vermisst habe. Darum kam mir folgender Gedanke, Samuel und Sebastian in die hohe Kunst der heissischen Bescherung einzuweihen. Punkt 1: Mich mit "Zum Geburtstag viel Glück" sanft aus dem Schlaf singen. Danach duschen, Vorfreude im Bauch und als großes Finale, vor der geschlossenen Tür warten, bis der lang ersehnte Chartbreaker "Geburtstagskind, komm herein" ertönt. Daraufhin eintreten, Kerzenlicht, Wunderkerzen, 2 singende Zivis, einer davon mit engelsblonden Locken und vor allem der Geburtstagsbogen, der natürlich dieses Jahr etwas kürzer ausfiel...
Dieses Jahr liesen sich sogar die Internos etwas neues einfallen, wird man doch generell nur in den See geworfen, bekam ich eine Extrabehandlung. Und zwar ein 120kg Schwein mitten in meinem Zimmer! Ich hab zwar gekämpft wie ein Mann, aber gegen 24 Internos + Kampfschwein war jeder Sieg aussichtslos. Aber das reicht natürlich nicht, stand das Schwein dann mal in meinem Zimmer und der Siegesschrei der Internos klang an, bekam das arme Tier eine Panikatacke und löste die Situation damit, einen 3 Kilo Haufen in mein Zimmer zu setzen. OMFG! o.O Zum Glück stinken Bilder nicht, sonst würde hier keiner lesen...

Sonst kann ich nur sagen, es war ein schöner Geburstag, danke für die vielen Glückwünsche und das 2. Rad ist nun endlich angekommen und aufgebaut. Übrig blieb noch ein bischen Kohle und das hab ich jetzt in ein Skateboard investiert, da ein paar Internos auch leidenschaftliche Skater sind. Vielen Dank hier nochmal an alle, die sich beteiligt haben, die Sache läuft hier richtig gut :)

Montag, 20. Oktober 2008

Voll die Heirat

Halt Stop, fing alles ja schon etwa vor einer Woche an, als wir einen Jungesellenabschied zu feiern hatten. Daniel nämlich, unser Arbeitstherapeut, hatte die güldenen Flitterwochen vor sich und damit natürlich auch das, was man unter einem brasilianischen Junggesellenabschied versteht: Grillen und danach das Opfer mit Mehl, Eiern und allem möglichen dekorieren. Mein unmoralischer Vorschlag, die Party aufzupeppen, wurde leider zurückgewiesen... Aber da man am besten sowas nur einmal im Leben durchmacht, natürlich Motivation den Ring ein wenig stecken zu lassen, wofür hat man denn Freunde? Das sah dann jedenfalls im Endeffekt so aus:

Die Hochzeit an sich hat sich gestern abgespielt und wer es nicht weiß, brasilianische Hochzeiten sind im Grunde ziemlich ähnlich. Es wird geheult, beim Kuss geklatscht und Braut wie Bräutigam sind weiß bzw. schwarz. Einziger Unterschied bildet die Anfangszeit, nämlich 6 Uhr abends. Und mit 6 Uhr abends, wird gemeint, dass man sich gegen 6 auf den Weg macht. Das ist kein Witz, es ist wirklich Sitte, bis auf den letzten zu warten und davon auszugehn, dass er nicht länger als 2 Stunden zum Haartracht formen braucht. Sprich um 9 war dann die Szene im Kasten, die Braut geknutscht, Tränen abgewischt, Homies gedrückt und ab ins Reastaurant, natürlich Essen. Sonst verlief der Abend relativ normal, ich hab jetzt auch nicht den derben Flash bekommen von wegen ich muss schleunigste heiraten oder sowas. War chillig und genau jetzt klingelts zum Essen und ich hab Hunger, bis dennsen also!

Dienstag, 14. Oktober 2008

Vagabundojagd

Heute wieder mal ein freier Tag und das Wetter lädt geradezu ein zum Radfahren. Am Mittag werde ich mich auch auf jeden Fall mit meinem Gerät aufmachen, aber vorher noch kurz ein kleines Update zu meinem Zivileben:

Vor etwa 2 Wochen (Ich weiß, die Aktualität lässt zu wünschen übrig) mussten wir feststellen, dass immer wieder unsere Erdbeerfelder geplündert werden. Man konnte sich auch schon denken, wer das war, weil immer, wenn etwas in diese Richtung passiert, es eben jener ist. Weiter unten in unserer Straße lebt schon seit geraumer Zeit ein Drogensüchtiger und Dealer. Da fragt man sich natürlich, was ein Cracksüchtiger mit Erdbeeren will, aber die Frage ist rasch beantwortet. Die hiesigen Dealer haben es sich nämlich zu eigen gemacht alles, wirklich alles, im Tausch gegen Drogen anzunehmen. Erdbeeren stehen da natürlich hoch im Kurs, vor allem sind sie leichter zu klauen als z.b. Fernseher oder Autos. Dass die gedealten Gegenstände natürlich zu einem Spottpreis über den "Laden"tisch gehen versteht sich von selbst, hat zum Beispiel ein Neuzugang in Cerené vor kurzem sein Motorrad für 2000 Reais verhökert. Wert war das neu um die 10 000, aber der Dealer kauft eben alles und das zu einem asozialen Preis. Oder im Grunde auch ganz in Ordnung, denn zum Beispiel dieser Interno ist nach eben jener Aktion aufgewacht und hat sich internieren lassen. Gut gemacht, Mister Dealer ;)
Jedenfalls kam dann die Idee auf, sich endlich mal gegen diese Sache zu wehren, da die Polizei hier aber nur Verbrechen verfolgt, die inflagrantie erwischt werden und Augenzeugen (die es zu Haufen gab) keinen Wert haben, sich solange im Wald zu verstecken, bis der Typ wieder einsteigt und ihr dann dingfest zu machen. Ich war natürlich sofort mit brennendem Eifer dabei, also Walky-Talky geschnappt, Schnur eigepackt und für den Fall der Fälle ein 1m langes Buschmesser mitgenommen. Im Prinzip hatte niemand damit etwas vor, es kam nur richtig cool! Und tatsächlich, nach etwa 2 Stunden Wache kam unser Vagabundo und machte sich ans Erdbeeren sammeln. Nur um es vorrauszunehmen: Wir haben ihn nicht gekriegt :/ Es lief nämlich folgendermaßen ab: Mit im Team befand sich ein Ex-Marine, jedenfalls behauptet man das hier, wenn man 9 Monate Pflichtwehdienst geleistet hat. Seine Idee war es auch sich mit Camouflage anzumalen, was mir persönlich dann doch ein bisschen zu lächerlich war, mitten in der Nacht, ohne Licht... Auf jeden Fall hat dann eben dieser Patriot kurzgeschalten und entgegen dem ursprünglichen Plan, langsam anpirschen, auf Blitzkrieg gewechselt, Kriegsgeschrei angestimmt und mit hundert Prozent Elan und Null Intelligenz auf den Typen zu. Der ist natürlich sofort im benachbarten Garten verschwunden und ward nicht mehr gesehen :/
Naja egal, es hat unglaublich viel Spaß gemacht und seither kam er auch nicht wieder, also hat es schlussendlich dazu geführt, was wir eigentlich wollten, nämlich die Erdbeeren schützen :)


So, das war es aus meinem heldengleichen Leben, man hört dann von mir!

Dienstag, 23. September 2008

Dia de foga

Zu Deutsch: Freier Tag. Den hab ich nämlich heute, da ich am Wochenende Bereitschaftsdienst hatte und rund um die Uhr mit den Internos rumgehangen bin. Und heute dann 100% Nichtstun. Wie fett! Gerade aufgestanden, Mails gecheckt, gemerkt, dass ein Haufen Leute auf dem Abend meiner Mutter waren (Danke für die Grüße), geduscht und die Krönung der Schöpfung: Kalte Pizza vom Vorabend, in der Gewissheit meinen Zivikollegen nun endlich Skat beigebracht zu haben. Dazu kommt auch noch das absolut perfekte Wetter, Shortwetter, wie ich zu sagen pflege und der Tag verspricht absolut perfekt zu werden. Einfach richtig gut, verdient :) Wenn sich jemand nicht vorstellen kann, wie sowas aussieht, hier der bebilderte Versuch (wie bei allen Fotos, klicken zum Vergrößern):


Nun ja, meine Mutter hat mir jetzt auch nochmal auf die Füße getreten, endlich doch mal wieder ein Lebenszeichen von mir zu geben. Es gibt ja auch nichts chilligers, als seinen freien Tag in Shorts vor dem PC zu verbringen und einfach zu tippen. Hier also die Zusammenfassung der Highlights der etwa letzten 2 Monate:

Fest der Nationen (22.8.-24.8.):
Da in Brasilien nun Wahlen sind (in 2 Wochen) strengen sich die Politiker natürlich besonders an, in den Köpfen der Bevölkerung als "Der Mann fürs Leben" zu erscheinen und so folgt, dass Straßen erneuert, Skateparks genehmigt, Bäume gepflanzt und Babys geküsst werden. In Lapa äußert sich dieser Stimmenkampf in einem sogenannten 1. "Fest der Nationen". Es geht darum, eine Art Volksfest aufzuziehen, in dem verschiedenen Nationen ihre Köstlichkeiten und Festtänze aufführen. Cerené hat wider erwarten Deutschland repräsentiert, mit mir wohl als weit und breit einzigem Ausländer. Mit am Start war Holland von einer mennonitischen Kommune, Italien von irgend einem Frauenverein, Russland von einer Lapabekannten Bauernfamilie, Brasilien von einer anderen Drogenklinik und noch ein Land, das ich nicht kannte. Unsere Spzialität: Spätzle und Apfelstrudel. 60 Strudel wurden vernichtet und etwa 25 Kilo Mehl in Spätzle umgewandelt, natürlich immer mit Bekräftigung darauf, dass wir der einzige Stand waren, der seine Spezialitäten wirklich durch kundige (meine) Hände fabriziert hatte.
Der Tanz wurde dann von meiner Seite aus her abgeblasen, da ich nicht Schuhplattlern kann und Wiener Walzer allem Anschein nach nicht aus Deutschland kommt. Schade auch, deswegen musste 20 blonde Mädels alleine Proben und ich durfte nur zukucken :( Trotz allem ein echt chilliges Wochenende, ich kann nur Spätzle einfach nicht mehr sehn!

New tight Zivi (1.9.):
Wir haben Verstärkung bekommen! Samuel heisst der Neue, zweimal so groß wie ich, seines Zeichens Pfarrerssohn und schwer in Ordnung. Endlich hab ich einen Mitzivi, der Bock hätte auf den Güterwagon aufzuspringen, der immer hier an Cerené vorbeidonnert und einfach mal zu kucken, wo der denn hingeht. Wenn man den örtlichen Fachleuten trauen darf, soll der sogar irgendwo ans Meer fahren! Wir haben das mal in 1 Monat festgemacht, dass (falls ich ihn verliere) er sich wieder alleine Nach Hause durchschlagen kann. 4 Tage später gab es dann zur Feier der Ereignisse einen Willkommensspaziergang in den 20km entfernten Park(?). Oder jedenfalls das, was sich ein Brasilianer unter Park vorstellt. Wurde gegrillt, Volleyball gezockt und Samuel hat sich null verständigen können. Mich hat das gefreut, meinen eigenen Anfang nochmal aus der 3. Perspektive wiederzuerleben. Er wird auf jeden Fall eine Bereicherung im Ziviteam darstellen, dessen bin ich mir sicher. Außerdem bin ich nun ein Jahr in Brasilien!

Auszug aus der Küche (5.9.):
Wahrscheinlich wusste es eh niemand, aber ich war eine Zeitlang wieder in der Küche. Ich mag die Küche ja nicht, weil hier unglaublich übertriebenen Wert auf Sauberkeit gelegt wird. Und selbst diejenigen, die mich in diesem Feld kennen gelernt haben, würden mir zustimmen, dass das komplette Fluten der Küche (kein Witz), dazu eine halbe Packung Waschpulver und ca. 200ml Chlor, etwas übertrieben sind um eine Küche von 20m² zu säubern. Trotz allem ist die Küche sonst eine echt nette Angelegenheit, da die Internos meistens nicht die Schlimmsten sind und man sich einfach richtig gut unterhalten kann. Zum Abschied haben wir dann nochmal einen Interno geopfert, um unseren aus den Ferien zurückkehrenden Chefkoch milde zu stimmen.

In touch with culture (13.9.):
Bahnbrechendes Wochenende: Zum ersten Mal wirklich gescheiten Kontakt mit dem brasilianischen Volk gehabt. Bzw. der weiblichen Hälfte. Es ist nunmal leider so, dass hier in Cerené sich selten eine Frau blicken lässt. Meistens sind das die Mütter, Ehefrauen oder Töchter, aber man kann sich ja vorstellen, wie die Familienverhältnisse hier gestrickt sind. Fakt ist, dass ich im Grunde seit 1 Jahr keinen Kontakt mit angenehmen Mädchen hatte. Umso erfreuter war ich deshalb, dass Samuel und Ich dieses Wochenende auf der Straße angequatscht wurden, ob wir denn Deutsche wären. Daraus hat sich dann ein unglaublich enstpannter Nachmittag ergeben und am nächsten Tag waren wir auch noch in einer Kunstausstellung. Es tat einfach mal wieder richtig gut sich mit ein paar entspannt tickenden Mädchen zu unterhalten, auch wenn ich gestehen muss, dass mir da nun wieder einiges an Übung fehlt. Egal, heiraten werde ich keine davon, chillig wars in jedem Fall.

Auf dem OP-tisch (16.9.):
Meine Op stand an. Nun werden sich wohl einige Fragen: "Op? Wozu?" Es trug sich folgendermaßen zu: Vor etwa 1 Monat hab ich Holz gehackt. Aber natürlich nicht das Otto-Normalverbraucher-Einschlag-down-Holz, sondern harte, mit Öl durchtränkte, 800 Jahre alte Bahnlinienbalken. Also der harte Shit eben. Das macht man natürlich mit Keilen und schlägt dann mit Eisen auf Eisen. Irgendwann hat sich dann jedenfalls ein winziger Metallspliter gelöst und ist mir direkt in den Arm und hatte dort anscheinend einen Nerv durchgeschnitten. Seit dem Moment habe ich auch nichts mehr in meiner linken Oberhand gespührt, was alles in allem extrem widerlich war. Der erste Arzt meinte nach seiner rumdrückmethode erkannt zu haben, der Fremdkörper hätte sich schon wieder gelöst. 2 Wochen später meinte ein anderer Arzt, diesmal mit Röntgenbild (!!!!), dieser weiße Punkt sein nur ein etwas unförmiger Schraubenkopf und ich solle mir keine Sorgen machen. Für die, die es nicht wissen, ich habe eine Platine im Unterarm. Der 3. Arzt, ein Spezialist, meinte nach dem ersten Blick, dass wir vor etwa 3 Wochen hätten operieren müssen und deswegen lag ich dann nun in der Präsidentensuite und kurz danach auf dem Op-tisch. 7500 Reais hat der Spass gekostet (3000€) um mir einen Splitter von der Größe eines Reiskorns aus dem Arm zu pulen. Das Gefühl soll übrigens wiederkommen, der Nerv wurde wieder zusammengeklebt. Auch egal, Versicherung zahlt ja und was macht man nicht alles dafür, eineinhalb Stunden völlig stoned im OP-Saal seine Herzfrequenz zu beobachten. Wusstet ihr, dass Schwestern ziemlich schnell die Nerven verlieren, wenn man den Atem anhält und seine Herzfrequenz auf einmal unerklärlich nach oben geht? xD Es war geil!

What a special day (20.9.):
Zum ersten Mal in 4 Versuchen hab ich es endlich geschafft mich daran zu erinnern: Kathis Geburtstag! Hat zwar nicht hundert prozent geklappt, da der Brief 2 Tage zu spät ankam, aber das war ja nicht meine Schuld und ich bin Stolz darauf es dieses mal selbst ohne Erinnerung gebacken bekommen zu haben =) Deswegen hier der Bescheid an alle, dass es geklappt hat und nochmal alles Gute Kathi!


Das wars dann an beeindruckenden Ereignissen in letzter Zeit, ich hoffe es wurde nicht allzulang, wenn nicht lest es in Etappen. Wobei es logisch betrachtet überhaupt keinen Sinn macht, diesen Tipp am Ende des Berichts zu geben...
Achja und Skat is the Shiat!



Wir sehn uns in 5 Monaten!

Bis dann

Euer Simon